Der Besuch in Kiew ist streng geheim. Doch warum wählt Scholz ausgerechnet jetzt diesen Zeitpunkt für seine Reise? Nur 83 Tage vor der Bundestagswahl möchte der Kanzler ein klares Signal setzen: Er ist derjenige, der die internationalen Verhandlungen führt. Das Ziel des hochvertraulichen Gesprächs mit Präsident Selenskyj ist es, die Lage auszuloten und zu verstehen, wozu die Ukraine bereit ist. Scholz hat immer wieder betont: „Es darf nichts über die Köpfe der Ukrainer hinweg entschieden werden.“ Diese Haltung sieht er als seinen politischen Auftrag.
Ein wichtiger Punkt in Scholz' Überlegungen ist die mögliche Rolle von US-Präsident Donald Trump. Sollte dieser, wie angekündigt, Verhandlungen über ein Kriegsende starten, möchte Scholz die Position der Ukraine stärken. Allerdings ist das nicht ohne Herausforderung: Trump muss überhaupt bereit sein, sich mit Scholz, einem Kanzler ohne Mehrheit kurz vor einer Neuwahl, zu koordinieren. Das erste Telefonat zwischen dem zukünftigen Präsidenten und dem Noch-Kanzler soll zwar relativ gut verlaufen sein, doch Trump ist für seine abrupte Kursänderungen bekannt, was die Situation unvorhersehbar macht.