Ein zentraler Grund für die Zurückhaltung: In NRW stehen im Herbst die Kommunalwahlen an. Ursprünglich sollten diese parallel zur Bundestagswahl stattfinden, doch durch die Vorverlegung der Wahl auf den 23. Februar entfällt diese Überschneidung. Die kommunalen Spitzenkandidaten sehen darin eine Chance, ohne den Druck eines parallel laufenden Bundestagswahlkampfes auf lokaler Ebene zu punkten. "Es herrscht Erleichterung, dass wir nicht mit Berlin in einen Topf geworfen werden“, erklärte ein Teilnehmer. Besonders in den SPD-Hochburgen an Rhein und Ruhr befürchtete man, dass ein schwaches Ergebnis der Partei auf Bundesebene auch die Kommunalwahlen belasten könnte. Ein Wahlkampf mit Scholz-Motiven neben Plakaten lokaler SPD-Kandidaten? Für viele eine riskante Vorstellung.
Vorbehalte gegenüber Pistorius und taktisches Kalkül
Trotz der Skepsis gegenüber Scholz gibt es aber auch Vorbehalte gegen Boris Pistorius. Die Basis in NRW scheint zu kalkulieren: Sollte Scholz die Bundestagswahl verlieren, hätte die Partei in den Monaten bis zur Kommunalwahl im Sommer die Möglichkeit, sich lokal neu zu positionieren – ohne die Last der bundespolitischen Debatte. Sollte Pistorius dann in einer neuen Bundesregierung, etwa als Vizekanzler, eine wichtige Rolle übernehmen, könnte dies für die Kommunalwahlen von Vorteil sein. Falls nicht, hätte man sich durch Zurückhaltung nicht angreifbar gemacht. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussionen in der Partei entwickeln – sicher ist jedoch, dass die SPD vor einem entscheidenden Wendepunkt steht.